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Fragen an:

Mark Benecke / Kriminalbiologe und Spezialist für forensische Entomologie

Welche sieben Schlagworte fallen Ihnen spontan bei Ameisen ein? 

Erde, Äste, Fühler, Formen, Bauten, Skelettierung, Artensterben

 

Was fasziniert Sie am meisten an Ameisen?

Ein schönes Beispiel hier → https://youtu.be/EeP1eEx9mto

 

Was war das bemerkenswerteste was Sie bisher über Ameisen herausgefunden haben?

Alles Lebende ist bemerkenswert.

 

Gibt es in Bezug auf Ameisen auch Momente des Unbehagens?

Nein, wieso?

 

Was beunruhigt Sie hinsichtlich der klimatischen Veränderungen am meisten?

Dass Ameisen in Deutschland besonders schnell verschwinden, schneller als viele andere Insekten-Arten.

 

Bitte verraten Sie uns 1-3 Dinge, die jeder über Ameisen wissen sollte.

Sie sind viele. 

 

Denken Sie, Ameisen taugen als Sinnbild kollektiven Handelns? 

Geschmackssache. Jede und jeder kann freundlich und menschlich handeln, mit oder ohne Vorbilder.

 

Was können wir Menschen von den Ameisen lernen?

Teil der natürlichen Kreisläufe zu sein.

 

Uns als Letztes: Erzählen Sie uns bitte eine kleine persönliche Ameisengeschichte.

Bittesehr: https://home.benecke.com/publications/leichenerscheinungen-und-fehlinterpretationen

Cleo Bertelsmeier / Ökologin 

Welche sieben Schlagworte fallen Ihnen spontan bei Ameisen ein? 

Sozialität, Konflikte, Biomasse, Vielfalt, Dominanz, Organisation, Netzwerke

 

Was fasziniert Sie am meisten an Ameisen?

Die Vielfalt der Ameisenstaaten - von 3 bis zu 10 Millionen Individuen und genau so viele Arten, eine Gesellschaft zu organisieren.

 

Was war das bemerkenswerteste was Sie bisher über Ameisen herausgefunden haben?

Invasive Ameisen wurden schon seit mehreren hundert Jahren in Folge der Globalisierung von Transportmitteln und Handel verschleppt. Wir haben zwei verschieden Invasionswellen gefunden (im 19. Jahrhundert in Folge der industriellen Revolution) und dann nach dem 2. Weltkrieg bis heute. 

 

Gibt es in Bezug auf Ameisen auch Momente des Unbehagens?

Invasive Ameisen können beachtliche Schäden anrichten: andere Arten vertreiben, Ökosysteme beeinträchtigen, Menschen stechen, Infrastruktur besetzen und hohe ökonomische Schäden anrichten.

 

Was beunruhigt Sie hinsichtlich der klimatischen Veränderungen am meisten? 

Insgesamt: die Biodiversität ist stark bedroht und laut Prognosen wird ein Teil der Arten durch den Klimawandel aussterben.

Ameisen: viele invasive Arten werden allerdings profitieren und sich in höheren Breitengraden verbreiten.

 

Bitte verraten Sie uns 1-3 Dinge, die jeder über Ameisen wissen sollte.

1. Nein - es gibt nicht nur « rote » und « schwarze » Ameisen. Es gibt 15,000 Arten von Ameisen und jede Menge Farben (gelb, braun, rot, schwarz sind häufig, aber es gibt auch grün, blau, violet, silber und gold). Die Farbe hat nichts mit einem Stachel zu tun - manche Ameisen stechen und andere verteidigen sich mit Ameisensäure, aber das hat nichts mit der Farbe zu tun.

2. Die Ameisen, die man normalerweise zu sehen bekommt sind alle WEIBLICH (Arbeiterinnen), zudem gibt es noch eine Königin aber die ist meist in der Kolonie. Männchen werden nur zur Paarungszeit produziert und dienen nur der Fortpflanzung - sie versterben nach dem Geschlechtsakt. Daher ist die Repräsentation von Ameisen in der Literatur oder in Comic Filmen meistens falsch - da dort oft ein männlicher Held vorkommt.

3. Ameisengesellschaften sind so erfolgreich, da sie kooperieren, aber es gibt auch viele Konflikte - und das ist ein grosses Thema der heutigen Forschung. Konflikte zwischen Königinnen und Arbeiterinnen, Weibchen und Männchen, ganzen Kolonien… soziales Leben bedeutet immer auch Konflikte und es ist sehr interessant, wie diese gelöst werden.

Denken Sie, Ameisen taugen als Sinnbild kollektiven Handelns? 

Nein.

 

Was können wir Menschen von den Ameisen lernen?

Nichts was wir auf unser Verhalten anwenden sollten

 

Uns als Letztes: Erzählen Sie uns bitte eine kleine persönliche Ameisengeschichte.

Honigtopfameisen leben in Wüsten und benutzen einen Teil der Arbeiterinnen als lebendiges Futterreservoir - diese Ameisen kann man essen. Ich hab das einmal in Arizona getan (und meinen Ameisenforscher-Freunden vertraut, die mir gelbliche Ameisen gegeben haben); Grosser Fehler, die schmecken wirklich eklig. Das Problem ist, dass diese Ameisenart, Zucker und Proteine trennt. Die Arbeiterinnen (eher rötlich) die den Zucker haben, schmecken auch sehr gut. Aber die gelben (mit Proteinen) sind schrecklich… Man vertraue keinem Ameisenforscher, der einem Ameisen zum essen anbietet.

Wolfgang Roessler Verhaltensforscher und Soziobiologe

Welche sieben Schlagworte fallen Ihnen spontan bei Ameisen ein? 

Navigation, Lernfähigkeit, Chemische Kommunikation (Pheromone), Selbstorganisation, Arbeitsteilung, Kollektive Intelligenz, Kooperative Brutpflege

Was fasziniert Sie am meisten an Ameisen?

Als Neuroethologe interessiere ich mich für die neuronale Steuerung von Verhalten. Mein persönlicher Zugang zu den Ameisen und anderen sozialen Insekten ist die Erforschung der Mechanismen sozialen Verhaltens. Ameisen haben ein erstaunliches Verhaltensrepertoire und faszinieren mich, da ihr Verhalten sehr plastisch ist und sie erstaunliche Kommunikationsfähigkeiten besitzen. Ich erforsche die Sinnessysteme von Ameisen und frage, wie ihr Gehirn komplexe Verhaltensweisen generiert. Dabei interessieren mich neben der Leistungsfähigkeit des einzelnen Gehirns auch die Vernetzung vieler Ameisengehirne zur sogenannten kollektiven Intelligenz. Eine übergreifende Frage meiner Forschung ist, welche Eigenschaften ein soziales Gehirn ausmachen. Zur Erforschung der genannten Merkmale setze ich Verhaltensanalysen im Freiland und Labor ein und verwende mikroskopische, physiologische und molekulare Techniken. 

 

Was war das bemerkenswerteste was Sie bisher über Ameisen herausgefunden haben?

Wir haben herausgefunden, dass Wüstenameisen der Gattung Cataglyphis das Erdmagnetfeld wahrnehmen können und in einer frühen Phase als Kompass nutzen. Die erfahrenen Ameisen orientieren sich überwiegend visuell. Bevor junge Ameisen erstmals auf Futtersuche gehen, lernen sie die visuelle Umgebung und kalibrieren ihren Sonnenkompass. Hierzu führen sie über einen Zeitraum von 2-3 Tage systematisch Lernläufe rund um ihren Nesteingang (ein Loch im Boden) aus. Wir haben die Lernläufe mittels verschiedener Techniken experimentell manipuliert und dabei herausgefunden, dass sie das Erdmagnetfeld in der frühen Prägungsphase als Kompass nutzen. Jetzt wollen wir herausfinden, wo sich der Magnetrezeptor befindet und wie die Informationen im Gehirn der Ameise mit visuellen Eindrücken verrechnet werden.    

 

Gibt es in Bezug auf Ameisen auch Momente des Unbehagens?

Ich bin immer mehr beeindruckt von der enormen Leistungsfähigkeit der kleinen Gehirne dieser Insekten und hinsichtlich der Nachhaltigkeit, mit der sie natürliche Ressourcen bewirtschaften. Unbehagen entsteht bei mir eigentlich nur dahingehend, wie wir Menschen die Lebensräume dieser (für mich) faszinierenden Insekten systematisch einengen.     

 

Was beunruhigt Sie hinsichtlich der klimatischen Veränderungen am meisten? (Mit oder ohne direkten Bezug auf Ameisen) 

Insekten sind wie die meisten Organismen mehr oder weniger direkt durch Klimawandel betroffen. Der aktuell beobachtete Schwund von Insekten betrifft auch Ameisenarten. Im Gegenzug gibt es invasive Arten (z.B. südamerikanische Ameisen), die Ungleichgewichte in die andere Richtung erzeugen. Mit den durch den Menschen verursachten Verschiebungen natürlicher Artengemeinschaften müssen wir uns dringend beschäftigen. Sie sind noch zu wenig erforscht und ihre Folgen für die Umwelt unter Umständen gravierend. Ameisen besiedeln fast alle Habitate auf der Erde mit einer beachtlichen Anzahl und Biomasse. Ihre ökologische Bedeutung ist enorm. 

 

Bitte verraten Sie uns 1-3 Dinge, die jeder über Ameisen wissen sollte.

Ameisen haben hervorragende Sinnesleistungen und ein komplexes Gehirn

Ameisenstaaten funktionieren selbstorganisiert, d.h. ohne zentrale Kontrolle

Ameisen sind Meister der Kommunikation 

 

Denken Sie, Ameisen taugen als Sinnbild kollektiven Handelns? 

Das kollektive Handeln von Ameisen ist nachhaltig. Dafür gibt es viele Beispiel, wie z.B. südamerikanische Blattschneiderameisen, die mit einem Pilz in Symbiose leben und diesen unterirdisch bewirtschaften. Die Pilz-Monokulturen sind besonders nachhaltig angelegt und existieren seit vielen Millionen von Jahren. Der Mensch hat es geschafft mit seiner Agrarwirtschaft viele natürliche gewachsenen Habitate zu zerstören. Das gilt besonders für Monokulturen, die ohne Pestizide, Fungizide und Kunstdünger nicht gedeihen. Ameisenstaaten betreiben schon langer Zeit nachhaltige Agrarwirtschaft, ohne die Umwelt zu belasten.

 

Was können wir Menschen von den Ameisen lernen?

Nachhaltige Bewirtschaftung von natürlichen Ressourcen, intelligente Navigation, Logistik, effiziente Arbeitsteilung und Prinzipien der Selbstorganisation. Im speziellen Fall meiner Forschung liefern uns die Sinnes- und Nervensysteme der Ameisen wichtige Erkenntnisse zu grundlegenden Fragen der Gehirn- und Verhaltensforschung.  

 

Uns als Letztes: Erzählen Sie uns bitte eine kleine persönliche Ameisengeschichte/-anekdote.

Ameisen und Weltpolitik: wir wollten vor einigen Jahren das Verhalten von Wüstenameisen, die in extremer Hitze auf tunesischen Salzseen leben, erforschen, insbesondere ihren Sonnenkompass, der für ihre Navigation essenziell ist. Nach dem hoffnungsvollen Beginn des arabischen Frühlings ist die politische Situation im Land leider umgeschlagen und Forschungsreisen ins tunesische Hinterland wurden zu gefährlich. Nach einiger Suche für Alternativen konnten wir die Forschung an einer verwandten Wüstenameise in Griechenland, in einem Nationalpark in der Nähe von Marathon, fortführen. Im Gegensatz zu den tunesischen Wüstenameisen führen die griechischen Ameisen auffällige Pirouetten während ihrer Lernläufe aus.  Anhand bestimmter Elemente dieser Pirouetten konnten wir die Auswirkungen des Erdmagnetfeldes auf die räumliche Orientierung der Ameisen erstmals nachweisen. Mit anderen Worten, die Analyse der Pirouetten eröffnete für uns die Möglichkeit, die Ameisen zu „fragen“, ob sie „wissen“ in welcher Richtung sich ihr Nesteingang befindet. Dies führte zur Entdeckung des Magnetkompasses bei diesen Ameisen. Der spezielle Zugang zur Navigation der griechischen Cataglyphis Ameisen war für unsere Forschung besonders wichtig, auch wenn er sich aus einer eigentlich traurigen weltpolitischen Situation heraus ergeben hat. 

Susanne Foitzik / Evolutionsbiologin und Verhaltensforscherin

Welche sieben Schlagworte fallen Ihnen spontan bei Ameisen ein?

Sozial, altruistisch, zahlreich, Arbeitsteilung, Staat, chemische Kommunikation, ökologische Dominanz

 

 

Was fasziniert Sie am meisten an Ameisen?

Mich fasziniert am meisten ihr komplexes Sozialverhalten. Zu beobachten wie sie ihre Aufgaben aufteilen, kollektiv Umzüge durchführen, Raubzüge auf andere Kolonien ausführen oder diese abwehren.

 

 

Was war das bemerkenswerteste was Sie bisher über Ameisen herausgefunden haben?

Ich glaube eine der vielen spannenden Geschichten ist, dass versklavte Arbeiterinnen gegen ihre Unterdrückerinnen rebellieren.
Wir konnten beobachten, dass diese Sklaven die Nachkommen der

Sklavenhalter umbringen und damit ihren Verwandten in der Umgebung indirekt helfen können.

 

 

Gibt es in Bezug auf Ameisen auch Momente des Unbehagens?

Naja wenn man mitten in einem Treiberameisen Raubzug steht und die Tiere einem in die Gummistiefel krabbeln und stechen, dann schon.

 

 

Bitte verraten Sie uns 1-3 Dinge, die jeder über Ameisen wissen sollte.

Alle Ameisen leben in Gemeinschaften, die aus der Königin und ihren Töchtern, den Arbeiterinnen bestehen. Ihre Kolonien sind arbeitsteilig organisiert und sie kommunizieren mittels chemischer Signale.

 

 

Denken Sie, Ameisen taugen als Sinnbild kollektiven Handelns? 

Ja und nein.

Ja: Ameisen können ihr Verhalten im Kollektiv so koordinieren, dass sie als Gemeinschaft Dinge schaffen, die sie einzeln nicht erledigen können. Treiberameisen bauen Brücken aus ihren Leibern, Blattschneideameisen züchten seit 50 Millionen Jahren Pilze.

Nein: auch in sozialen Insektenstaaten kann es Konflikte geben, wo Arbeiterinnen um Fitnessvorteile zu erlangen auch Brüderlarven umbringen können.

 Ameisenkolonien unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von menschlichen Gesellschaften: es sind meist einfache Familienverbände, die Mutter mit ihren Töchtern. Und da finden wir auch beim Menschen viel Kooperation und gemeinsame Fürsorge.

 

 

Was können wir Menschen von den Ameisen lernen?

Ameisen sind nicht die besseren Menschen. Ameisen können nach menschlichen Maßstäben grausam sein, Kriege führen, Jungtiere verschleppen und versklaven. Die Arbeiterinnen verhalten sich aber auch sehr uneigennützig und geben ihre eigene Fortpflanzung auf, um der Königinmutter bei der Aufzucht ihrer Nachkommen zu helfen. Sie verteidigen ihren Staat selbstlos. Wir können lernen unter welchen Bedingungen Kooperation entsteht und was zu Konflikten führt. Uns kann deutlich werden wie wichtig Kommunikation ist.

 

 

Erzählen Sie uns bitte eine kleine persönliche Ameisengeschichte.

Mir haben es die Sklavenhaltenden Ameisen angetan, die Kolonien anderer Ameisenarten ausrauben und die Arbeiterinnen versklaven. Sie ziehen nicht mehr selber ihre Jungen groß oder gehen auf Nahrungssuche, sondern lassen dies die Wirtarbeiterinnen tun. Manchmal kommt es zur Rebellion gegen diese Ausbeutung. Ein anderes Mal gewinnen die Sklavenhalter. Ich habe schon eine Sklavenhalterkönigin gefunden, die erfolgreich die Kolonie der Wirtsart übernommen hat. Allerdings hatten sich wohl die Wirte zur Wehr gesetzt. An ihrem Vorderbein hing noch der Kopf einer Wirtsarbeiterin, die sich in die Sklavenhalterin verbissen hat. Diese hat gewonnen, in dem sie die Verteidigerin umgebracht hat, aber der Kopf hing immer noch an ihrem Bein. In einer anderen Studie konnten wir zeigen, dass im Laufe der Evolution die Sklavenhalter mehr als die Hälfte ihrer Geschmacks- und ein Drittel ihrer Geruchsgene verlieren. Ja die Sklavenhalter werden von ihren Wirten gefüttert, aber vermutlich können sie dies das Futter gar nicht mehr gut schmecken!

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